Betriebliches Impfen und Testen
Gemeinsame Impfaktion anstreben
Die große Resonanz auf das virtuelle Meeting unseres Projekts Das kommt aus Bielefeld zeigte das Interesse der Bielefelder Unternehmen am Thema „Betriebliches Impfen und Testen“.
„Wir möchten Informationen zu dieser komplexen Thematik bündeln, um Unternehmen in ihrer Entscheidungsfindung zu unterstützen, ob ein eigenes Impfangebot im Betrieb sinnvoll ist“, sagte Brigitte Meier, Prokuristin der WEGE, zur Begrüßung. Das Treffen fand in Kooperation mit dem Zentrum für Innovation in der Gesundheitswirtschaft OWL (ZIG OWL) statt.
Am 7. Juni sollen voraussichtlich die ersten Dosen für betriebliches Impfen zur Verfügung stehen. Dabei sind noch sehr viele Fragen offen. 500.000 Impfdosen sollen es pro Woche deutschlandweit sein, aber der Verteilungsmodus ist noch ungeklärt. Orientiert sich die Verteilung an der Einwohnerzahl, wie Ingo Nürnberger, Sozialdezernent und Krisenstabsleiter der Stadt Bielefeld, vermutet, könnten 2.000 bis 2.500 Impfdosen in Bielefeld pro Woche zur Verfügung stehen. Wer welchen Impfstoff an wen liefert, hängt zur Zeit noch in der Schwebe ebenso wie die Frage der Finanzierung.
Dr. med. Wolfgang Schmidt-Barzynski, ärztlicher Direktor des Klinikum Bielefeld, griff in seinem Vortrag die zunächst wichtigsten Fragen zum Thema betriebliches Impfen auf:
Braucht mein Betrieb eine eigene Impfaktion? Welche Räume brauche ich dafür? Wer muss beteiligt sein? Was muss ich beachten? Wer unterstützt mich?
Braucht mein Betrieb eine eigene Impfaktion?
Die Frage ist eng verknüpft mit dem zur Verfügung stehenden Impfstoff. Der Impfstoff von BioNTech/Pfizer ist aufgrund der aufwendigen Lagerung, Auf- und Zubereitung eher ungünstig. AstraZeneca ist deutlich einfacher zu handhaben und noch leichter ist das Handling mit dem Stoff von Johnson & Johnson, da nur eine Impfung notwendig ist und die Terminkoordination für einen zweiten Termin entfällt.
Dr. med. Wilfried Voß, stellvertretender ärztlicher Leiter des Impfzentrums Bielefeld, berichtet ergänzend von einer Sitzung der KVWL. Hier wurde deutlich, dass der für Juni erwartete Impfstoff mit hoher Wahrscheinlichkeit von AstraZeneca sein wird und über Vertragsapotheken an die Betriebsärtz*innen geliefert wird. Ob sich die Einrichtung einer eigenen Impfaktion lohnt, hängt von der Zahl der impfbereiten Mitarbeitenden ab, die man über Umfragen abklären kann.
„Das Klinikum Bielefeld hat rund 3.000 Mitarbeitende. Über drei Impfstraßen sind am Tag 350 bis 400 Mitarbeitende geimpft worden“, erklärt Dr. med. Wolfgang Schmidt-Barzynski. Aber auch trotz guter Vorbereitung ist mit Unwägbarkeiten zu rechnen, wenn beispielsweise die zugesagte Lieferung mit dem Impfstoff ausbleibt und am nächsten Tag die doppelte Menge geliefert wird. Außerdem sollten sich Betriebe fragen, welche wirtschaftlichen Auswirkungen ein Ausfall von Mitarbeitenden aufgrund einer Corona-Infektion haben könnte und ob eine eigene Impfaktion für das Unternehmen sinnvoller sein könnte.
Welche Räume brauche ich?
Ein Einbahnstraßensystem mit einem separaten Ein- und Ausgang sorgt für die Einhaltung der Abstände. Von einem Wartebereich, in dem Aufklärungsgespräche geführt werden, geht es in den Impfbereich, in dem der ärztliche Check durchgeführt wird, mit drei Kabinen. Ein weiterer Raum dient der Nachbeobachtung und der administrativen Tätigkeiten, wo mittels eines Scanners die verabreichte Charge dem Patienten/der Patientin zugeordnet wird.
Wer ist an der Impfaktion beteiligt?
Am Klinikum Bielefeld war ein Projektteam aus 15 Personen beteiligt, wobei 5 zum engeren Kreis gehörten und die anderen 10 bei Bedarf hinzugezogen wurden. Eine enge Zusammenarbeit von EDV und Personalabteilung (inklusive der Personaldatenbank) ist für die Terminkoordination und die Dokumentation der Impfnachweise nötig. Außerdem besteht ein enger Kontakt zwischen Betriebsärzt*innen, Apotheke und Impfzentrum, um die Art des Impfstoffes und die Liefermengen zu koordinieren. Die Betriebsärztin/der Betriebsarzt ist für Aufklärung und Dokumentation zuständig.
Was gilt es zu beachten?
Die Aufklärungsgespräche zur Impfung sind wichtig. Diese sollten so frühzeitig wie möglich vor dem Impftermin stattfinden. Eine Durchführung der Aufklärung in Gruppen – auch per Videokonferenz – hat sich als zielführend erwiesen. Eine EDV-Unterstützung in Bezug auf die Personaldatenbank, für die Dokumentation des Impfnachweises und für die Koordination der Termine ist wichtig. Bei der Organisation ist zu beachten, dass die Impfgruppen „chaotisch“ zusammengestellt werden. Das bedeutet, dass nicht abteilungsweise Mitarbeitende geimpft werden, falls es Ausfälle aufgrund von Impfreaktionen gibt. Erfahrungswerte haben gezeigt, dass die Reaktion heftiger ist, je jünger die Geimpften sind. Bei der Terminierung von Zweitimpfungen (BioNTech/AstraZeneca) müssen die Urlaubszeiten berücksichtigt werden. Die Impfaktion sollte auf mehrere Tage verteilt werden, falls es zu Lieferengpässen kommt. Insgesamt braucht man Strukturen, die an die Unternehmensgröße angepasst sind.
Wer unterstützt?
Das Impfzentrum Bielefeld ist für das Impfstoffmanagement verantwortlich und hilft interessierten Unternehmen. Auch das Klinikum Bielefeld steht für Fragen zur Verfügung und könnte nach Rücksprache Räume zur Verfügung stellen. Dr. med. Wolfgang Schmidt-Barzynski erklärt, dass das Klinikum Bielefeld die Prozessanweisungen für die eigene Impfaktion der Mitarbeitenden gerne Interessierten zur Verfügung stellt. Diese müssten dann an die jeweiligen Gegebenheiten des eigenen Unternehmens angepasst werden.
Thema Testangebote
Nach wie vor sind Tests ein wichtiges Mittel zur Eindämmung der Pandemie, um die Zeit zu überbrücken, bis alle, die wollen, geimpft sind, wie es Sozialdezernent und Krisenstabsleiter Ingo Nürnberger formulierte. Momentan sind mobile Teststationen unterwegs, die in Vorbereitung auf die Impfung in die Quartiere mit sozial benachteiligten Bewohner*innen fahren. Die Stadt Bielefeld verspricht sich davon eine Erhöhung der Impfbereitschaft. Insgesamt hat Bielefeld mit rund 60 kleineren und größeren Teststationen ein dichtes Netz aufgebaut. Jeder und jede, der oder die sich testen lassen möchte, kann dies mittlerweile unkompliziert tun – auch samstags und sonntags.
Markus Wendler, Inhaber der PVM GmbH und Anbieter der großen Testzentren (darunter Brackwede/IKEA, Loom, Universität Bielefeld) berichtet, dass das Interesse der Bevölkerung an Testungen ohne Anreize, also z. B. Ausgehen oder Shopping mit negativem Test, nachgelassen habe. Vor dem Lockdown habe PVM 60.000 Testungen im Monat durchgeführt. Markus Wendler und sein Team sind bereit, auch im Bereich Impfungen Angebote zu machen. Vergangenes Wochenende hat das Bielefelder Unternehmen mit einem Ärzteteam in Osnabrück an drei Tagen (Freitag, Samstag, Sonntag) bereits 3.000 Impfungen durchgeführt. Man sei auch schon mit einigen Betrieben im Gespräch, die die Infrastruktur von PVM nutzen könnten. Die Erfahrungen bei den Testungen (Organisation, Terminvergabe und Dokumentation) ließen sich unmittelbar transferieren.
Wie sieht es in puncto Impfaktionen in Bielefelder Unternehmen aus?
Der Praxisbericht von Ramona Werner von Diamant Software (300 Mitarbeitende) zeigte, dass es wichtig ist, frühzeitig mehrgleisig zu fahren. Die Zahlen der Mitarbeitenden, die sich impfen lassen möchten, schwankt, weil einige zwischenzeitlich bereits im Impfzentrum oder bei ihren Hausärzt*innen geimpft wurden. Die Mitarbeitenden werden ermutigt, auch andere Möglichkeiten zu nutzen. Neben den schon angesprochenen offenen Fragen (Welcher Impfstoff wird es sein? Wie kommt der Stoff zu den Betrieben? Wie sieht die Verteilung und Finanzierung mit welchem Impfstoff aus?) stellt sich bei Diamant Software die Frage, ob auch Familienmitglieder der Mitarbeitenden mitgeimpft werden dürfen.
Larissa Schikowski von DMG Mori (800 Mitarbeitende) berichtet, dass das Unternehmen auf die Impfaktion vorbereitet sei, aber betriebsinterne Umfragen starke Vorbehalte gegen AstraZeneca gezeigt hätten. Es brauche mehr Aufklärungsarbeit, um die Akzeptanz und das Vertrauen für diesen Impfstoff, der sehr wahrscheinlich den Betrieben zur Verfügung gestellt wird, wieder zu erhöhen. Ingo Nürnberger empfiehlt, zu dem Thema Video-Seminare über die Betriebsärzt*innen abzuhalten. Gutes Info-Material und Aufklärung könne die Vorbehalte auflösen.
Ralf Hausmann, Prokurist beim Einrichtungspartnerring VME (100 Mitarbeitende), berichtet, dass er das Vorhaben, in seinem Unternehmen eine eigene Impfaktion auf die Beine stellen zu wollen, aufgegeben habe, aber stark an einer Kooperation mit anderen kleineren und mittelgroßen Unternehmen interessiert sei. Die Räumlichkeiten in Bielefeld-Hillegossen seien dafür gegeben.
Fazit
Für kleinere Unternehmen lohnt sich eine eigene Impfaktion eher nicht. Vielversprechender ist ein Vorgehen, bei dem sich kleinere Unternehmen entweder zusammenschließen oder sich den Impfaktionen eines großen, vielleicht sogar benachbarten, Unternehmens anschließen. Grundsätzlich bieten das Impfzentrum Bielefeld, das Klinikum Bielefeld und die PVM GmbH ihre Unterstützung und/oder ein konkretes Angebot für das betriebliche Impfen an.
„Die WEGE und das ZIG möchten die Unternehmen bei ihren möglichen Impfaktionen unterstützen“, erklärt Brigitte Meier. „Wir möchten eine Plattform bieten, um für die aktuell offenen Fragen zur Vorgehensweise der Betriebe eine Lösung zu finden und falls gewünscht, auch Kooperationen für gemeinschaftliche Projekte unterstützen. Hierzu werden wir mit den heutigen Inputgebern klären, welche Angebote den Unternehmen kurzfristig gemacht werden können.“
Die am Betrieblichen Impfen interessierten Bielefelder Unternehmen stehen im regelmäßigen Austausch untereinander, der seitens der WEGE mbH koordiniert wird. Sollten auch Sie Fragen zur aktuellen Situation haben, so melden Sie sich bitte bei Brigitte Meier, meier@wege-bielefeld.de, 0521/557 660-70.
Linktipp: In unseren Corona FAQs finden die Sie die Antworten auf die wichtigsten Fragen im Rahmen der Pandemie. Zu den FAQs >>