Frauenquote & Steuersituation

Wie ist die aktuelle Lage von Frauen in der Wirtschaft?


Dieser Frage sind wir zusammen mit dem Kompetenzzentrum Frau und Beruf OWL und der Gleichstellungsstelle der Stadt Bielefeld in einer diskussionsstarken Online-Konferenz mit Blick auf die Themen “aktuelle Steuersituation” und “Frauenquote” nachgegangen.

Begrüßt wurden die Gäste von Gräfin Christiane Matuschka von Fidar e.V. – einer Initiative, die sich für mehr Frauen in Führungspositionen in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik einsetzt.

„FidAR sagt ja, wir brauchen die Frauenquote. Sie ist ein wesentlicher Punkt im sogenannten Führungspositionen. Gesetz – das klingt ein bisschen penetrant! Aber: „Penetranz schafft Akzeptanz“. Dieser Satz sagt alles. Mit dieser Quote geben wir qualifizierten und motivierten Frauen die Möglichkeiten, die sie verdienen. Wir haben das zusammen mit vielen engagierten Frauen aus der Zivilgesellschaft, der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Kultur erreicht” – so Gräfin Matuschka zu Beginn des Abends.


Für wen lohnt sich die Arbeit?

Im ersten Vortrag stellte Przemyslaw Brandt vom ifo Institut Leibniz-Institut für Wirtschaftsförderung an der Universität München e.V. die StudiePartizipationsbelastungen im deutschen Steuer-, Abgaben- und Transfersystem“ vor, die das Institut im Auftrag der Bertelsmann Stiftung im November 2020 durchführte.

Die Studie macht deutlich: Das deutsche Steuer- und Transfersystem führt dazu, dass viele Frauen oder Geringverdiener in der Minijob-Falle stecken bleiben. „Das Zusammenwirken im deutschen Steuer-, Abgaben- und Transfersystem trägt dazu bei, dass viele Frauen und Mütter sowie zahlreiche Beschäftigte insbesondere im Niedriglohnsektor in Kleinstjobs, geringfügiger Beschäftigung oder Teilzeit mit niedriger Stundenzahl gefangen sind – ein Mehr an Arbeit lohnt sich finanziell häufig nicht“, so Brandt.

Betroffen sind insbesondere Alleinstehende und Alleinerziehende im Niedriglohnsektor sowie Zweitverdienerinnen in Paarhaushalten. Von 7,6 Millionen Ehefrauen im Erwerbsalter haben mit 6 Millionen rund drei Viertel ein geringeres Einkommen als der Mann und sind demnach Zweitverdienerinnen. Sie leiden darunter, dass bei der Aufnahme einer Teilzeit- oder Vollzeitbeschäftigung Einkommensteuer anfällt, die über dem üblichen Eingangssteuersatz liegt.

Um Zweitverdienende und damit vor allem Frauen und Mütter aus der Minijobfalle zu befreien, sollten Minijobs eingeschränkt sowie das Ehegattensplitting reformiert werden. Damit ließe sich eine Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigung für diese Gruppe attraktiver machen. Nimmt man darüber hinaus Alleinstehende und Alleinerziehende im Niedriglohn in den Blick, sollte eine Anpassung der Hinzuverdienstregelung angestrebt werden, damit sich die Teilhabe auf dem Arbeitsmarkt auch für sie auszahlt.

Agnieszka Salek, Leiterin der Gleichstellungsstelle der Stadt Bielefeld, betonte die Bedeutung des Themas existenzsichernde Beschäftigung aus gleichstellungspolitischer Perspektive und verwies auf die gravierenden Nachteile und Risiken für Frauen, die der Beschäftigungsform „Minijob“ nachgehen.

Minijobs haben sehr negative Auswirkungen auf die Gleichberechtigung von Frauen im Arbeitsleben und zementieren die tradierten Familienrollen. Zudem machen sie die Nachteile für Frauen im Bereich des Steuerrechts und der Sozialversicherung deutlich. Die finanzielle Abhängigkeit vom Partner, insbesondere bei Trennung, Scheidung, Tod, Herabstufung der Qualifikationen, Altersarmut sowie finanzielle Abhängigkeit von staatlichen Leistungen gehören zu weiteren erheblichen Risiken für Frauen.

Anke Unger, DGB-Geschäftsführerin in Ostwestfalen-Lippe, kritisierte die negativen Folgen der Minijobs für das Sozialversicherungssystems. Mit Verweis auf die aktuelle Krise machte sie deutlich, dass die Kurzarbeitsregelungen zur Unterstützung der Wirtschaft nur finanzierbar waren und sind, weil genügend Menschen in das Sozialversicherungssystem einzahlen. Diese Säule wird durch eine Ausweitung der Minijobverdienstgrenze untergraben.

Der DGB fordert dagegen eine Sozialversicherungspflicht ab dem ersten verdienten Euro, die Abschaffung des Ehegattensplitting sowie die Erhöhung der Mindestlöhne.


Frauenquote – globales Schlusslicht Deutschland

Das Bundeskabinett hat am 6. Januar 2021 den Gesetzentwurf zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (Zweites Führungspositionengesetz – FüPoG II) beschlossen. Künftig muss in den Vorständen börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen mindestens eine Frau sitzen, wenn dieser Vorstand mehr als drei Mitglieder hat. Aktuell trifft das laut Bundesfrauenministerium auf rund 70 DAX-Unternehmen zu, von denen knapp 30 noch keine Frau im Vorstand haben und die Frauenquote somit nicht erfüllt wird.

Christian Berg, Geschäftsführer der AllBright Stiftung in Berlin, stellte in seinem Vortrag „Mehr Frauen in Führung – wie hilfreich wird die neue Quotenregelung?“ die aktuelle Situation von Frauen im deutschen Topmanagement im Vergleich zu Schweden vor.

Im internationalen Vergleich zum Frauenanteil in den Vorständen der jeweils führenden 30 Unternehmen steht Deutschland mit 12,8 Prozent an letzter Stelle. Das durchschnittliche Vorstandsmitglied ist männlich, deutsch, in West-Deutschland ausgebildet und heißt Thomas. In deutschen Familienunternehmen gilt: je privater, desto männlicher. Lediglich 4,8 Prozent der Geschäftsführungen sind hier in Frauenhand.

Gemischt besetzte Führungsteams sind, nach Berg, profitabler, innovativer, attraktiver für Talente und verstehen Kunden und Gesellschaft besser. Überholte Rollenzuschreibungen und Geschlechterstereotype, die u.a. durch das Ehegattensplitting manifestiert werden, gelten als Hauptursache.

„Auch in Schweden gab es Widerstand, als das Ehegattensplitting 1971 abgeschafft wurde, das war kein Selbstläufer. Aber es ist machbar – auch in Deutschland,“ ist Christian Berg überzeugt. Seine Tipps an Männer, um Frauen in Führung zu unterstützen:

  1. Übernimm die Hälfte der Haus- und Familienarbeit
  2. Öffne deine Netzwerke
  3. All-Male-Panel? Ohne mich
  4. Sprich von Mann zu Mann

Im Anschluss kommentierten und diskutierten das Thema “Frauenquote – mehr Frauen in der Führung” Cord Budde, Inhaber der Weinrich GmbH & CO. KG Schokoladenfabrik , Herford; Daniela Siekmann, Diversity Lead und Controllerin bei der itelligence AG, Bielefeld sowie Susanne Fabry, bis Ende 2020 Head of Regional Market, Energy Networks Germany bei E.ON SE und ab April 2021 Vorstand bei der Rheinenergie in Köln.

Cord Budde ist Inhaber der Ludwig Weinrich GmbH & CO. KG Schokoladenfabrik in Herford. Das Thema “Gender Diversity” und “Frauenquote” spielt bei Weinrich eine wichtige Rolle. 50 Prozent der Leitungsfunktionen sind mit Frauen besetzt. Cord Budde würde eine weibliche Nachfolge in seinem Unternehmen unterstützen. Den geringen Anteil von weiblichen Geschäftsführungen in Familienunternehmen führt er auf das Beharrungsvermögen traditioneller Inhaber zurück. Die sehr verhaltene Resonanz von Männern bezüglich der Förderung von Frauenkarrieren hält er für einen Fehler. Er ist überzeugt, dass männliche Vorgesetzte eine Verantwortung für die Karrieren ihrer Mitarbeiterinnen übernehmen und offensiv für Frauen in Führung eintreten sollten.

Daniela Siekmann ist aktuell Diversity Lead und Controllerin in der Deutschland SAP-Einheit der itelligence AG. In Deutschland engagiert sich eine große Anzahl von Mitarbeitenden in der Initiative „Diversity@itelligence“, die sich als Graswurzelinitiative versteht. Kernelemente von Graswurzelinitiativen in Unternehmen sind nach Sabine und Alexander Kluge eine Haltung von „zivilem Ungehorsam, die Durchführung wirksamer Einzelaktionen und der Aufbau von Netzwerken. 

„Wir haben bei itelligence Deutschland mit unseren Aktivitäten auf höchster Managementebene ein Bewusstsein für die Bedeutung, den Business Impact und den Mehrwert des Gender Diversity-Themas geschaffen.” Die Aktivitäten werden vom Topmanagement unterstützt, dennoch beschreibt Daniela Siekmann den Kulturwandel und das Aufbrechen von Rollenstereotypen als weiten Weg. Es gilt ein Problembewusstsein auf allen Ebenen zu schaffen und alle Mitarbeitenden zu „Betroffenen“ zu machen.

Susanne Fabry, bis Ende 2020 Head of Regional Market, Energy Networks Germany bei E.ON SE, arbeitet seit vielen Jahren im Bereich der deutschen Strom- und Gasnetze. Die Juristin mit MBA in European Utility Management ist seit April 2021 im Vorstand bei der Rheinenergie in Köln.

„Ich bin gewohnt eine Quotenfrau zu sein und ich bin es gern. Wenn ich in der entsprechenden Position bin, kann ich immer zeigen, dass ich es auch kann. Das hat mich Zeit meines bisherigen Berufslebens begleitet – dort bin ich in der Regel nicht wegen einer Quote auf die jeweilige Stelle gekommen. Und musste im technischen Umfeld doch oft zeigen, dass ich es auch kann (daran hätte bei einem Mann keiner gezweifelt). Über die neue Quotenregelung freue ich mich sehr. Sie wird, genau wie auch die Quote für Aufsichtsräte, eine Ausstrahlungswirkung in der Besetzung von Stellen haben. Das ist gut und trägt zu mehr Fairness und neuer Kultur in Mixed Leadership bei. Und ich möchte jungen Frauen Mut machen, sich etwas zuzutrauen, hinzugehen und den Mund aufzumachen. Wir brauchen sie alle.“

Linktipp:

Sie möchten mehr zum Thema “Frauenquote” und “Förderung von Frauen in Fach- und Führungspositionen” erfahren? Dann schauen Sie in unserer Rubrik “Frauen und Arbeitswelt” rein.

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