BIKONET-Treffen mit Oberbürgermeister Pit Clausen

„Veränderung muss man wollen“


Es war eine besondere Veranstaltung für das Bielefelder IT- Kompetenznetzwerk e.V. (abgekürzt BIKONET), das in Kooperation mit der WEGE mbH die Standortförderung unterstützt. Auf Einladung von Oberbürgermeister Pit Clausen trafen sich die Teilnehmenden im Bielefelder Rathaus – und zwar endlich einmal wieder persönlich. Das stellte auch Pit Clausen bei der Begrüßung fest: „Ich genieße es, endlich wieder mit Menschen zu tun zu haben!“ Zusammen mit BIKONET-Vorständin Dr. Anja Padberg, Dezernent Gregor Moss, WEGE-Prokuristin Brigitte Meier und Matthias Eichler vom Digitalisierungsbüro der Stadt Bielefeld entspann sich ein spannender Austausch aller teilnehmenden Unternehmensvertreterinnen und -vertreter zu kommunalen Zukunftsthemen.

Der Ort im Rathaus war nicht zufällig gewählt. „Es ist der Sitz der Stadtverwaltung“, sagt Pit Clausen und zählt auf, wofür Verwaltung vermeintlich steht: „als Synonym für Formulare, Bescheide, Langeweile, verstaubte Amtsstuben und undurchdachte Entscheidungen.“ Das alles sei aber absolut nicht zutreffend: „Wir verstehen uns als moderner Dienstleister mit rund 2.000 Produkten im Portfolio und 7.000 Mitarbeitenden in der Verwaltung und den städtischen Einrichtungen.“ Die Stadt Bielefeld wirtschaftet mit einem Budget von 1,5 Milliarden Euro. Davon sei ein Drittel steuerfinanziert. „Eine Stadtverwaltung ist etwas ganz eigenes“, unterstreicht der Oberbürgermeister. „Wir sind weder ein Unternehmen noch ein Verein.  Die Stadt ist an vielen Unternehmen, wie den Stadtwerken, den Kliniken, der BGW – um die größten zu nennen – beteiligt. Die Gesamtorganisation selbst ist einzigartig. Wir sind nicht vergleichbar, weder mit Arminia Bielefeld noch mit dem Oetker-Konzern.“

Die Produkte der Stadt sollen die Lebensqualität und die Arbeitsbedingungen der Bürger*innen verbessern. „Von der Wiege bis zur Bahre“, macht Pit Clausen deutlich. „Wir bieten pränatale Beratung von Schwangeren an und kümmern uns um die Bestattung. Wir beraten bei der Neugründung von Unternehmen und unterstützen die, die am Rande der Insolvenz stehen. Die Stadtverwaltung ist im 21. Jahrhundert angekommen. Unser Kernthema ist, die Lebensqualität für alle Menschen in unserer Stadt zu verbessern.“

Über 2.000 Produkte auf dem Prüfstand

Natürlich laufe nicht immer alles wie gewünscht, das könne es auch nicht, denn Aufgabe der Verwaltung sei es auch, einen Kompromiss der unterschiedlichen Bedürfnisse und Wünsche zu finden. „Jeder versteht unter Lebensqualität etwas anderes, deshalb haben wir es mit einer vielschichtigen Angelegenheit zu tun.“ Alle 2.000 Produkte gilt es deshalb immer wieder auf den Prüfstand zu stellen und zu optimieren. Als Beispiele nennt der Oberbürgermeister die Kitas oder die Bearbeitung von Grundsteuerbescheiden. „Wir machen uns viele Gedanken, wie wir besser werden können – auch mithilfe der Digitalisierung. Wir wollen Behördengänge mit E-Government vereinfachen.“

Neben der Digitalisierung ist der Klimaschutz ein weiteres wichtiges Thema, dem sich die Verwaltung stellen will. Angefangen bei der Verkehrswende, z. B. mit der Verkehrsberuhigung in der Altstadt, bis zur Erzeugung von Energie. Die Gebäudesanierung müsse schneller voranschreiten und auch bei der Klimaanpassung – Wie geht man mit Extremwetterlagen um und was muss für den Hochwasserschutz getan werden? – müsse schneller reagiert werden. Ein besonderes Augenmerk richtet die Verwaltung auf die Entwicklung der Quartiere, wobei auch hier die Aufgabenstellung völlig unterschiedlich sei, denn Voraussetzungen und Bedürfnisse in Jöllenbeck-Nord seien andere als in Sennestadt-Süd.

Stadtprofil schärfen

Als weitere Aufgabe betrachtet Pit Clausen die Schärfung des Stadtprofils. Dazu gehöre die Weiterentwicklung des Hochschul- und Bildungsstandortes. „Mit unseren Einrichtungen haben wir hier viele tolle Perlen, die aber zum Teil noch zu wenig genutzt werden.“ Die Einrichtung der Medizinischen Fakultät bezeichnet er als „Glücksfall für die Stadt“. Ebenso wie den Teutoburger Wald, der für viele Bürger*innen als Synonym für das Grüne der Stadt stünde. „Wir dürfen den Teuto nicht als selbstverständlich hinnehmen, sondern müssen uns um ihn kümmern“, unterstreicht Pit Clausen mit Blick auf Borkenkäferplage und Klimawandel. Außerdem solle die digitale Entwicklung der Stadt (Smart City) weiter vorangetrieben werden. Die Stadt Bielefeld bildet im Rahmen des Landesprojektes gemeinsam mit der Leitkommune Paderborn, dem Kreis Paderborn und der Stadt Delbrück die Digitale Modellregion OWL.

Last but not least geht es um die Finanzen. Bielefeld habe seine Erfahrungen mit der Haushaltssicherung gemacht. Das habe Gestaltung verhindert. In dieser Zeit sei nur „Flickschusterei“ möglich gewesen. „Aber wir haben es geschafft, den Haushalt zu konsolidieren und läuten eine Dekade der Erneuerung ein“, berichtet der Oberbürgermeister. „Wir können nun mehrere hundert Millionen Euro in Infrastruktur investieren.“ Abschließend betont Pit Clausen, dass all die zu bearbeitenden Themen nicht im harmonischen Einklang stünden, sondern sich zum Teil in einem Spannungsfeld befänden. „In jedem einzelnen Fall müssen die widerstreitenden Interessen austariert, in einen Ausgleich und in die Umsetzung gebracht werden.“ Dabei müsse die Mehrheit der Bürger*innen erreicht und mitgenommen werden, denn „nichts geht gegen die Mehrheit der Stadtgesellschaft“.

Zur Diskussion gestellt

Nach dem kompakten Impuls-Vortrag des Oberbürgermeisters war die Runde eröffnet für Fragen, Anmerkungen und Kommentare der BIKONET-Mitglieder. Hierzu gehörte der Themenkomplex Digitalisierung in Schulen.

Pit Clausen bemerkt dazu, die Digitalisierung der Schulen sei eng verknüpft mit dem Breitbandausbau, wobei die Bielefelder Schulen hierbei Priorität hätten. Doch die Versorgung einer Fläche von 255 Quadratkilometern mit Breitband bzw. über 1.000 Kilometer Straße ginge nicht von heute auf morgen. Man sei auch auf die Bereitschaft der Bürger*innen angewiesen, dass diese auch tatsächlich schnelleres Internet nutzen und damit kaufen wollten. Zudem weist Gregor Moss darauf hin, dass es momentan schwierig sei, Bauunternehmen für eine fachgerechte Verkabelung zu bekommen.

Zum Thema „Schule und Digitalisierung“ ergänzt der Dezernent, dass alle Schüler*innen der weiterführenden Schulen mit mobilen Endgeräten ausgestattet worden seien. Matthias Eichler betont, dass Digitalisierung vor allem eine Frage des Kulturwandels sei. Um die Instrumente zu nutzen, müssen Organisationen eine Transformation durchlaufen, um insgesamt einen digitalen Ruck zu erzeugen. Außerdem stelle sich die Frage, wie wir mit Daten mit Blick auf Smart City umgehen wollen, um neue Lösungen für Bürger*innen zu finden.

Komplexe Entscheidungsprozesse

An einigen Beispielen (z. B. die digitale Anmeldung für die Hundesteuer) verdeutlichten die Vertreter der Stadtverwaltung, wie schwierig Abstimmungsprozesse mit allen beteiligten Akteuren seien oder wie viel Zeit durch gesetzlich vorgeschriebene Ausschreibungen ins Land gingen. Auch das Thema Datenschutz, bei dem Land, Bund und auch die EU zum Teil beteiligt sind, führt dazu, dass die Implementierung einer Lösung länger dauern kann. Pit Clausen berichtet, dass eine Umsetzung der Digitalisierung im Hinblick auf Kompatibilität nicht vom Land oder vom Bund vorgegeben wird, da diese dann auch die Kosten der Kommunen tragen müssten. Deshalb bliebe es bei Empfehlungen, so dass eine einheitliche Lösung nicht kommen wird.

Einig waren sich alle Beteiligten darin, dass es wichtig sei, die Menschen in puncto Digitalisierung mitzunehmen. Ängste – zum Beispiel um den Fortbestand des Arbeitsplatzes – abzubauen und den Usern von morgen die Vorteile von digitalen Lösungen aufzuzeigen. Die Usability sei auch entscheidend für die Akzeptanz von digitalen Angeboten für die Bürger*innen (Stichwort Bürgerserviceportal).

Weitere Themen waren z. B. die Umgestaltung des Jahnplatzes und die Situation auf öffentlichen Plätzen und in den Parks der Stadt. Pit Clausen greift das Stichwort Kesselbrink auf und verdeutlicht, dass der Platz vor acht Jahren lediglich als Parkplatz genutzt wurde. Nun sei der Platz so gestaltet, dass sich Menschen dort gerne aufhielten. Das urbane Leben dort war und ist gewollt. Doch überall, wo Menschen zusammenkämen, entstünde leider auch Müll, Lärm und es könne auch zu unschönen Begegnungen kommen. Der Oberbürgermeister macht deutlich, dass jeder Übergriff einer zu viel sei. Deshalb wurde insgesamt das Personal des Ordnungsdienstes versechsfacht und Sozialarbeiter*innen bzw. Streetworker seien im Einsatz, um die Probleme anzugehen. Aber letztlich komplett verhindern ließen sie sich nicht.

Gregor Moss ergänzt zum Umbau des Jahnplatzes, der Medienberichte zufolge um 60 Prozent teurer würde, was aber nicht zutreffe. Der Umbau sei erweitert worden und umfasse nun 60 Prozent mehr Fläche. Die Bauarbeiten erfolgen im vorgegebenen Rahmen.

Einige Teilnehmende wünschten sich von der Politik klarere Ansagen und im Hinblick auf wirtschaftliches Handeln mehr Flexibilität. Als Beispiel wurde Island genannt. Dort dauere die Gründung einer GmbH lediglich 30 Minuten, während man in Deutschland rund drei Monate dafür veranschlagen müsse.

Auch die Fachkräftesicherung und die mangelnde Reife von Schüler*innen und Auszubildenden wurde thematisiert. Erfahrungen, die auch die Stadtverwaltung gemacht hat. Pit Clausen plädiert dafür, die Auszubildenden mehr an die Hand zu nehmen, weil die jungen Menschen in immer höher spezialisierten Bereichen arbeiteten und sich erst einfinden müssten.

Das Thema Bürgerbeteiligung wurde aus der Runde wie folgt kommentiert: „Wir haben ein gutes, transparentes System, um die Bürger*innen bei Entscheidungsprozessen mitzunehmen. Wir machen das gut in Bielefeld.“ Ein Lob, das sicherlich auch die Vertreter der Verwaltung gefreut hat. Zum Abschluss betont Oberbürgermeister Pit Clausen, dass es wichtig sei, Veränderung zu wollen. „Wir brauchen den Switch im Kopf. In der Veränderung liegen die Chancen, dass für alle das Leben besser wird.“

Nach fast zwei intensiven Stunden ging die Veranstaltung dem Ende zu. Wieder einmal wurde deutlich, dass Kommunikation hilft, einander besser zu verstehen. Und anzuerkennen, wie komplex Verwaltungshandeln ist. Brigitte Meier berichtete zum Schluss, wie bedeutsam die IT-Wirtschaft für Bielefeld ist. So stieg 2020 die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um 8,8 Prozent (400 Personen) auf insgesamt fast 5.000 an. Dieser Zuwachs lag deutlich über dem OWL-, Landes- und Bundesdurchschnitt. Mit Blick auf den Zeitraum 2015 bis 2020 gab es sogar einen Zuwachs um über 40 Prozent.

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Bild Rathaus: Bielefeld Marketing

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