Kristina Oehler

geschäftsführende Gesellschafterin

Ruf Jugendreisen

Kristina Oehler von ruf Jugendreisen

Portrait: Kristina Oehler

Was als Sommerjob begann, wurde zur beruflichen Leidenschaft: Kristina Oehler, heute geschäftsführende Gesellschafterin von ruf Jugendreisen, fand ihren Weg in die Tourismusbranche eher zufällig. Während ihres Lehramtsstudiums wollte sie sich in den Semesterferien etwas dazuverdienen – doch schnell wurde klar, dass sie ihre wahre Begeisterung für Reisen und Organisation entdeckt hatte. Der Entschluss stand fest: Statt Schule und Klassenzimmer entschied sie sich für ein Studium der Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Tourismus.

Kim Lasche und Kritsina Oehler
v.l.: Kim Lasche vom Kompetenzzentrum Frau und Beruf im Interview mit Kristina Oehler

Heute leitet sie gemeinsam mit Thomas Neumann Europas führenden Veranstalter für Jugendreisen. ruf Jugendreisen, das 1981 als studentischer Verein gegründet wurde, ist mittlerweile ein etabliertes mittelständisches Unternehmen mit Sitz in Bielefeld und rund 85 Mitarbeitenden. Seit über 40 Jahren bietet ruf maßgeschneiderte Reiseerlebnisse für junge Menschen – mit durchdachten Programmen, pädagogischem Anspruch und einem Gespür für Trends.

Ein Blick auf Kristinas Karriereweg macht Mut und zeigt: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Sie weiß, wie wichtig es ist, Chancen zu ergreifen und Verantwortung zu übernehmen. Doch neben strategischem Denken und unternehmerischer Weitsicht zählt für sie noch eine weitere, oft unterschätzte Eigenschaft: Empathie. Eine moderne Führungskultur bedeutet für sie nicht nur, Entscheidungen zu treffen, sondern auch zuzuhören, Stimmungen aufzufangen und ein Umfeld zu schaffen, in dem Mitarbeitende ihr Potenzial entfalten können.

Dein Werdegang liest sich wie eine klassische Erfolgsgeschichte – vom vermeintlich kleinen Anfang bis zur großen Karriere. Würdest du sagen, dass das Bild ‘von der Tellerwäscherin zur Millionärin zu dir passt?

Ich habe tatsächlich bei ruf auf der untersten Karrierestufe angefangen – als Teamerin. Von da an ging es Schritt für Schritt weiter. Ich hatte die Möglichkeit, verschiedene Positionen im Unternehmen auszuüben und immer mehr Verantwortung zu übernehmen. Immer dann, wenn ich dachte: Da muss wieder etwas Neues kommen, hat sich irgendwo wieder eine neue Tür geöffnet. Als dann der Generationswechsel in der Geschäftsführung anstand, war ich bereit für den nächsten großen Schritt.

Wenn du auf deinen bisherigen Werdegang zurückblickst, was hat dich beim Aufstieg besonders unterstützt?

Zum einen ist das Umfeld entscheidend. Damals waren die Zeiten noch anders und es war für Frauen noch schwieriger, Karriere zu machen. Ich hatte das Glück, als Person wahrgenommen zu werden. Das heißt aber nicht, dass man einfach abwarten kann: Es reicht nicht, im Büro zu sitzen und auf ‘die Chance’ zu hoffen – man muss sich aktiv einbringen und Möglichkeiten ansprechen.

Am Ende braucht es vor allem Mut, neue Wege zu gehen und durchzuhalten, auch wenn es manchmal schwierig ist. Wichtig ist, sich selbst treu zu bleiben.

Was würdest du Frauen raten, die ihre Karriere aktiv gestalten und vorantreiben möchten?

Ich finde es wichtig, sich nicht an männliche Rollenbilder anzupassen. Gerade die einzigartigen Stärken, die Frauen mitbringen, sind relevant und sollten nicht geglättet werden. Authentizität ist wichtig. Frauen wird nachgesagt, dass sie häufiger zweifeln. Das sollte aber nicht unbedingt als etwas Negatives gesehen werden. Bei allem, was um uns herum kursiert, kann eine gesunde Skepsis und Selbstkritik hilfreich sein und uns sogar ein Stück besser machen. Nicht alles, was ich sage, ist immer richtig oder perfekt. Ich reflektiere viel und korrigiere, wenn nötig. Sich solche Charakterzüge abzugewöhnen, nur um besonders männlich und hart zu wirken, ist nicht gut. 

Was hat dich motiviert, immer mehr Verantwortung zu übernehmen und in diese hohe Position aufzusteigen?

Ich finde es sehr spannend zu gestalten und Impulse zu geben. Mich motiviert, dass ich trotz meiner Arbeit alle Prozesse eng begleiten kann. Das kann vielleicht auch manchmal etwas nerven (lacht), aber wenn ich eine gute Idee sehe, zum Beispiel für das Marketingteam, dann gebe ich sie weiter. Im Laufe der Jahre sind immer mehr Bereiche hinzugekommen – ich liebe diese Vielseitigkeit. Der Job wird einfach nie langweilig. Außerdem mag ich es sehr, mit Menschen zusammenzuarbeiten.

Welche Soft Skills und Hard Skills sind deiner Meinung nach entscheidend für den Aufstieg in eine Führungsposition?

In meiner Arbeit finde ich es besonders wichtig, empathisch zu sein – sich in die Perspektiven anderer hineinzuversetzen. Es geht nicht nur darum, Aufgaben und Verantwortung zu verstehen, sondern auch, wie sich Situationen auf die Menschen auswirken. Ich habe dabei sowohl unsere Kundinnen und Kunden als auch Mitarbeitende im Blick. Es verändert nicht nur, wie man selbst arbeitet, sondern auch die Entscheidungen, die man trifft. Diese Fähigkeit, die Stimmung und Bedürfnisse der Menschen zu verstehen, ist für mich entscheidend. Präsentationstechniken oder die Leitung von Teams können erlernt werden, aber dieses besondere Gespür ist für mich unverzichtbar.

Rückblickend kann ich auch sagen, dass Fachwissen Gold wert ist. Bei uns gab es einige Quereinsteiger, aber ich hatte den Vorteil, dass ich viel Wissen aus dem Studium mitbrachte. Darauf konnte ich aufbauen und das gab mir die nötige Sicherheit.

Wie hast du dich persönlich weiterentwickelt, um den wachsenden Anforderungen gerecht zu werden?

Mit wachsender Verantwortung wird es immer wichtiger, an der eigenen Resilienz zu arbeiten – sich den Herausforderungen zu stellen, anstatt die Flinte ins Korn zu werfen. Diese Auseinandersetzung verändert einen tiefgreifend. Resilienz empfinde ich als einen kontinuierlichen Prozess, bei dem es darum geht, gut für sich zu sorgen und die eigenen Bedürfnisse immer besser kennenzulernen.

Generell rate ich, tief in sich hineinzuschauen: Was ist meine Geschichte? Wer bin ich wirklich? Was brauche ich zum Glücklichsein? Früher habe ich im Winter manchmal allein Urlaub am Meer gemacht. Dort habe ich zum Beispiel Strandspaziergänge gemacht und Dinge für mich geordnet – das war toll.

Wie stehst du zu Themen wie Work-Life-Balance und Leadership?

Ich komme aus einer „Generation Praktikum“ und war damals sehr froh, nach dem Studium überhaupt einen Job zu haben. Damals stand die Freizeit einfach nicht so im Mittelpunkt. Aber den Wunsch nach einer Work-Life-Balance kann ich gut nachvollziehen. Grundsätzlich braucht jeder Mensch einen Ausgleich. Das bedeutet aber auch, dass es zu einer Herausforderung kommen kann, Karriere und Freizeit unter einen Hut zu bringen. Vor allem, wenn man mehr Verantwortung übernehmen will. Da muss man auch mal über den eigenen Schatten springen und die Komfortzone verlassen – das geht nicht unbedingt bei einer 20-Stunden-Woche.

Welche Ansätze siehst du, um Frauen in ihrer Karriere besser zu unterstützen? Welche Erfahrungen hast du dabei gemacht?

Generell fände ich es gut, wenn sich Frauen gegenseitig mehr unterstützen und vorantreiben würden. Männer können super netzwerken und sich gegenseitig hochziehen, aber uns fällt das häufig schwer – vielleicht gerade wegen unserer Erziehung oder dem Konkurrenzdruck. Meiner Erfahrung nach wird man als Frau auch schnell in bestimmte Rollen gedrängt. Hier kann ich nur erneut betonen, wie wichtig es ist, die Karriere und das Leben nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten.

Was würdest du Unternehmen raten, die sich aktiv für die Gleichstellung der Geschlechter einsetzen wollen?

Viele Unternehmen setzen auf die klassischen Maßnahmen wie Gendern oder Homeoffice und meinen, damit sei alles getan. Das ist meiner Meinung nach zu wenig und zu kurz gedacht. Vielmehr sollten Unternehmen genau hinschauen und die Potenziale ihrer Mitarbeiterinnen fördern. Proaktiv fragen: Wäre diese Arbeitsgruppe oder Aufgabe nicht auch etwas für dich? Auch hier zeigen sich schnell geschlechtsspezifische Unterschiede. Im Arbeitskontext sind Frauen oft sofort bereit, überall mit anzupacken und zu helfen. Wenn es aber um neue Positionen geht, erlebe ich oft eine größere Zurückhaltung. Hier kann man als Unternehmen gut ansetzen und unterstützen.

Kristina Oehler zeigt eindrucksvoll, wie man mit Eigeninitiative, klaren Zielen und dem Mut, Chancen zu ergreifen, den Weg bis an die Spitze gehen kann. Mit Empathie und Weitblick setzt sie ein Zeichen für moderne Führung.

Das Interview führten Kim Lasche, Projektmanagerin und Julia Lüthgen, Mitarbeiterin Kommunikation beide Kompetenzzentrum Frau und Beruf OWL

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